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Länderbericht NRW 2023-05

ABi-Desaster, Lehrkräftemangel, zusätzliche Aufgaben und dazu kontraprduktive Empfehlungen der SWK.

Das Abi-Desaster

Das Desaster beim Download der Abituraufgaben als aktuellster negativer Höhepunkt am 18.4.23 führte uns drastisch vor Augen, dass NRW noch nicht ausreichend in der Digitalisierung angekommen ist. Abgesehen davon, dass Schulleitungen und Lehrkräfte bis 20.35 Uhr auf letzte Mitteilungen gewartet haben, mussten die Prüfungen um zwei Tage verschoben werden, auf einen Tag mit Bahnstreik und Zuckerfest für Muslime. Bei Schülerinnen und Schülern herrschte große Verunsicherung, ihre schriftlichen Prüfungen mit Verzögerung gut absolvieren zu können.

Lehrkräftemangel

Ich möchte nichts dramatisieren; das wäre dem Thema nicht angemessen. Aber die Situation zu beschönigen, hilft auch nichts. 8.000 Lehrkräfte fehlen allein in NRW. Die uns anvertrauten Schülerinnen und Schüler kämpfen mit den Spätfolgen der Pandemie auf unterschiedlichen Ebenen – fachlich und sozial. Gleichzeitig kämpfen Lehrerinnen und Lehrer für ‚ihre‘ Kinder und werden ständig mit neuen Aufgaben betraut, die nicht in diese Zeit passen.

Zusätzliche Aufgaben

Das betrifft zum Beispiel die Einführung und Umsetzung neuer Lehrpläne oder gar Fächer. Die Umsetzung der alten Lehrpläne ist schon nicht zu schaffen nach Corona. Es wird nicht entschlackt, Neues kommt dazu. Schule wird wieder – oder doch wie immer? – vom Gymnasium her gedacht. Ein neues Fach an den Gesamtschulen ist z. B. das Fach Informatik – ohne die ausgebildeten Lehrkräfte auch nur im Ansatz beisammen zu haben. Die neueste Baustelle ist die des Lehrkräftemangels. Gut ist die Nachricht aus dem Ministerium, dass das Problem nicht über Vorgriffsstunden geregelt werden soll. Gut ist, dass A 13 für alle schrittweise umgesetzt werden soll. Das im Dezember vorgestellte Handlungskonzept Unterrichtsversorgung wirkt allerdings schwach und nicht ausreichend . Hinweise zur konkreten Umsetzung sind bis jetzt an den Schulen nicht eingegangen. Die Wirksamkeit noch für dieses Schuljahr darf bezweifelt werden. Darüber hinaus scheint die Gewinnung von Alltagshelfern (nur für Grundschulen) und Seiteneinsteigern im Lehrberuf angesichts des allgemeinen Mangels an Arbeitskräften nicht zielführend. Hohe juristische Hürden verhindern auch noch eine angemessene Vergütung.

Kontraproduktive Empfehlungen der SWK

Die Stellungnahme der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der KMK, die ‚Empfehlungen zum Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel‘, arbeitet mit unerwartet vielen unangenehmen Vorschlägen vor allem für die Lehrkräfte im Bestand. Da tauchen dann doch plötzlich Vorgriffsstunden als Idee auf, Beschränkung anlassloser Teilzeit und die Erhöhung der Unterrichtsverpflichtungen für ältere Lehrkräfte werden die Attraktivität des Lehrberufs nicht steigern. Flexibilisierung durch Hybridunterricht, Erhöhung der Selbstlernzeiten sowie Anpassung der Klassenfrequenz stehen ebenfalls im Maßnahmenkatalog. Wie realitätsfern diese Maßnahmen sind, wird schnell deutlich. Wie voll sollen z. B. die Klassen in unserem System denn noch werden? Und mit diesen noch größeren Klassen funktionieren Hybridunterricht und Selbstlernzeiten natürlich noch weniger. Weniger schriftliche Klassenarbeiten tun Not! Alternative Prüfungsformate sind bereits vorhanden, sie müssen erlaubt, ermöglicht und Kolleginnen und Kollegen nahegebracht werden. Damit wäre die Qualitätsdiskussion vom Tisch. Parallel ist die Entschlackung von Lehrplänen angezeigt. Weniger wäre mehr – im Sinne des Lerngewinnes der Schülerinnen und Schüler, um wieder bei Gelingensbedingungen anzukommen!

Andreas Tempel

Kontakt:

Der Länderbericht erschien in Die Schule für alle 2023/2.

ALLE LÄNDERBERICHTE DSFA 2023/2